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Sport und Gesellschaft

Ein Netzwerk für Zusammenhalt

| Robert Gräfe

Am 08. November 2025 trafen sich in Halle (Saale) Vereins- und Verbandsvertreter*innen aus unterschiedlichen Sportarten: von Kampfsport und Fußball bis zu Cricket und Gymnastik. Ebenfalls dabei waren Engagierte aus der Sozialen Arbeit. Der Anlass: die Jahrestagung des Programms „Integration durch Sport“ des Landessportbundes Sachsen-Anhalt. Bei dieser wurden gemeinsame Erfolge gefeiert, Herausforderungen betrachtet und Unterstützungen ausgebaut.

© LSB Sachsen-Anhalt

„Für Integration durch Sport zu werben, heißt sichtbar und laut zu sein – aber auch im Stillen zu gestalten“. Das war einer der abschließenden Sätze des Tages von Robert Gräfe, Programmleiter von „Integration durch Sport“ (IdS) in Sachsen-Anhalt. Angesichts aktueller öffentlicher Debatten und gesellschaftlicher Herausforderungen scheint es dringend notwendig, Geschichten von Zusammenhalt und gelungener Integration zu erzählen. Im Netzwerk „Integration durch Sport“ gibt es viele solcher Beispiele.

In der Jugendherberge in Halle haben sich Haupt- und Ehrenamtliche aus dem organisierten Sport und der Sozialen Arbeit versammelt. Sie alle kooperieren mit dem Bundesprogramm IdS, oder werden durch dieses gefördert. Die gemeinsame Tagung ist eine Gelegenheit zusammenzukommen, sich zu vernetzen, Informationen auszutauschen und neue Impulse mitzunehmen.

Den Kontext bilden die Diskussionen der vergangenen Wochen, in denen die Themen Integration und Migration wiederholt politisch und gesellschaftlich instrumentalisiert wurden. Die Vereinsvertreter*innen sehen die Konsequenzen daraus in ihren eigenen Vereinen, spüren sie selbst oder bei ihren Mitgliedern. Ein Jahr vor der Landtagswahl drängen sich viele Fragen auf: Für welche Werte steht der Sport? Wo schafft er Verbindungen? Wo wird er instrumentalisiert? Und wie lassen sich die Werte des Sports für eine offene, vielfältige und demokratische Gesellschaft verteidigen?

Die Jahrestagung soll den Teilnehmenden den Rücken stärken, die Unterstützung untereinander fördern und ein klares Zeichen für Vielfalt und gesellschaftlichen Zusammenhalt im Sport und in der Gesellschaft senden.

Integration bedeutet lebenslanges Lernen

Das Team von Integration durch Sport wird durch den Sportjournalisten und Autoren Ronny Blaschke sowie das Projekt „Sport bewegt Demokratie“ unterstützt. Gemeinsam mit dem IdS-Team bieten sie die Workshops „Meine Werte, mein Verein“, „Rechtsextremismus im Sport“ sowie „Demokratieförderung im Sport“ an.

Mit Ronny Blaschke spricht die Gruppe über Vielfalt und Diskriminierung im Sport. Neben positiven Beispielen aus der Vereinspraxis nimmt der Journalist auch Verbandsstrukturen und gesellschaftliche Mechanismen der Ausgrenzung und Diskriminierung kritisch in den Blick. Denn selbst wenn diese nicht bewusst ausgrenzend sind, heißt das nicht zwangsläufig, dass sie für Menschen mit unterschiedlicher kultureller und sozialer Prägung einladend sind. „Auf dem Platz sind wir divers. Im Verband noch nicht so ganz“, so Blaschke. Er berichtet von verschiedenen Beispielen aus ganz Deutschland. Wer trifft Entscheidungen, wessen Bedarfe werden beachtet? Wann verbindet der Sport Menschen, wie so häufig betont wird, und wann trennt der Wettbewerbscharakter in ein „wir gegen die“? Kritisch fragt der Sportjournalist, wann etwas wirklich Integration durch Sport ist, und wann nicht eher Integration durch Erfolg? Die Teilnehmenden antworten mit eigenen Erfahrungen mit Vielfalt, sei es bei Cricket-Wettbewerben oder Spielberichten von Fußballspielen.

Nicht zuletzt kann der Sport auch Menschen mit antidemokratischer Gesinnung zusammenführen, wie Ronny Blaschke am Beispiel rechtsextremer Fanszenen im Fußball veranschaulicht. „Vielleicht erkenne ich nicht alles und da möchte ich mehr lernen“, erklärt ein Teilnehmer seine Motivation für die Teilnahme an dem Workshop. Blaschke spielt mit den Teilnehmenden das „was wäre, wenn“ durch: wenn ein Vorfall eskaliert, wenn Personen im Verein rechtsextreme Ansichten haben, ... – wie würdet ihr reagieren? „Wir müssen früher wach sein, nicht erst wenn etwas passiert“, sagt er.

Nebenan, im Workshop zu Demokratie, besprechen die Teilnehmenden, wie Vereinsleben demokratisch gestaltet und Partizipation in Entscheidungsprozessen gelebt werden kann. Sie nutzen praxisnahe Beispiele, um zu zeigen wie man mit demokratiefeindlichen Tendenzen umgehen und die eigenen Werte im Training, Wettkampf und Vereinsleben umsetzen und fördern kann.

Den Willen, sich weiterzubilden, zeigen viele an diesem Novembertag. Es wird deutlich, wie wichtig Netzwerke sind, um neue Ideen zu entwickeln und die eigene Praxis zu spiegeln. Austauschrunden in Kleingruppen bieten den Raum dafür, Maßnahmen und Projekte der Vereine zu diskutieren, die besonders erfolgreich waren, um die Erkenntnisse daraus weiterzugeben.

Altbekannt, aber wahr: Gemeinsam sind wir stärker!

Dieser Austausch ist wichtig. Die Vereine konkurrieren nicht um das Programm. Sondern sie sind es, die es gemeinsam ausmachen und mit Leben füllen. Je mehr, desto besser, findet auch Ronny Blaschke: „Der Sport muss lauter, selbstbewusster sein, zeigen, dass Migration etwas Gutes ist. Wir müssen uns besser vernetzen und unterstützen. Ideen, die nicht geteilt werden, Broschüren, die in der Schublade verschwinden, da muss man noch ein bisschen nachhelfen“.

Der Blick in die Zukunft bereitet mitunter Sorgen, dennoch ist bei vielen Teilnehmenden eine ungebrochen hohe Motivation spürbar. Eine Trainerin berichtet, wie Eltern zu ihr kommen und ihr dankbar erzählen, wie ihr Kind durch die Sportgruppe mehr und besser Deutsch spricht. Eine andere Trainerin sagt: “Die Kinder von heute sind die Erwachsenen von morgen“. In den Vereinen arbeite man an der Gesellschaft der Zukunft, beeinflusst diese.

Ronny Blaschke ist sich der gesellschaftlichen Herausforderungen bewusst, in denen sich ehrenamtlich Engagierte bewegen. Umso mehr schätzt er jedes Projekt, jede Initiative, die vor Ort Menschen mit den Mitteln des Sports zusammenführt: „Sie machen den Unterschied, Sie erreichen Leute. Man kann nicht die große Welt verändern, man kann mit seinen Initiativen, im Verein, aber etwas Kleines bewegen.“

 

Das Bundesprogramm „Integration durch Sport“ wird mit Mitteln des Bundesministeriums des Innern und durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie durch den DOSB gefördert. Der LSB Sachsen-Anhalt erhält zudem eine projektbezogene Förderung durch das Ministerium für Inneres und Sport des Landes Sachsen-Anhalt.

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