Turbine Halle – Inklusion mit Vollspeed

Beim Mehrspartenverein Turbine Halle wird Inklusion nicht nur gefördert, sondern aktiv gelebt. In der Abteilung Speedskating trainieren derzeit drei Athlet*innen mit geistiger Behinderung – mittendrin statt nur dabei. Einer von ihnen ist Maximilian, der zweimal pro Woche in der Marathongruppe der Erwachsenen trainiert. 

Sein Einstieg in den Verein war vor über zehn Jahren nicht selbstverständlich: Zahlreiche Absagen anderer Vereine machten die Suche schwer. Bei Turbine Halle wurde er jedoch herzlich aufgenommen – zuerst bei den Jüngsten, später als vollwertiges Mitglied in der Erwachsenengruppe. Heute ist er ein fester Teil der Gemeinschaft und nimmt selbstverständlich an allen Vereinsaktivitäten teil. 

Trotz guter Erfahrungen sieht der Verein noch strukturelle Hürden – etwa beim Übergang von Aktionstagen in den regulären Trainingsbetrieb. Der Wunsch: bessere Rahmenbedingungen für nachhaltige Inklusion. Ein Vorbild sei z. B. Groß-Gerau, wo Menschen mit Behinderung fest in den Wettkampfbetrieb eingebunden sind.

Ein starkes Beispiel dafür, wie Sport Brücken baut – mit Tempo, Teamgeist und echter Teilhabe.

Wir haben die Verantwortlichen zu den Details Ihrer Vereinsarbeit gefragt. Das Interview wurde von Saskia Krebs (Landesausschuss Gleichstellung, Vielfalt und Teilhabe) geführt.

Es begann vor mehr als 10 Jahren, als Max gemeinsam mit seiner Mutter einen Verein suchte, der ihn aufnimmt. Diese Suche war lange erfolglos, weil er aufgrund der Behinderung abgelehnt wurde. Die erste Trainerin nahm ihn auf und er trainierte damals mit den Jüngsten in der Gruppe und verstand sich dort gut mit allen. Als er älter wurde, wechselte er zu den Erwachsenen und seitdem ist Max erfolgreiches und anerkanntes Mitglied im Verein.

Trainingskleidung wird privat angeschafft, wobei die Teilnahmen bei großen Wettkampfveranstaltungen (z.B. die Special Olympic World Games 2023 in Berlin) Sportkleidung mitbringen. Der Verein schaut aber, dass Großbestellungen in Auftrag gegeben werden, damit die Kosten geringer bleiben. Seine Mama und auch mal andere Vereinsmitglieder bringen Maximilian zum Training oder nach Hause. Die Mitglieder packen mit an, damit Maximilian das Training ermöglicht wird.

Maximilian ist bei allen Vereinsaktivitäten, wie beim jährlichen Trainingslager in der Landessportschule Osterburg, selbstverständlich dabei. Das bedeutet, dass alle anderen Vereinsmitglieder Maximilians Teilnahme ebenfalls als selbstverständlich und normal betrachten. Manchmal braucht es eine anders formulierte Erklärung, wodurch alle Mitglieder im Team die Aufgaben im Training verstehen. Das übt sich mit der Zeit und macht das Miteinander für alle einfach.

Statt von Herausforderungen spricht Maximilian eher von enttäuschenden Momenten. Beispielweise wurde Maximilian nicht als Teilnehmer für die Special Olympics World Games in Abu Dhabi ausgelost. Der Hintergrund ist, dass versucht wird, eine gerechte Verteilung der Wettkampfteilnahmen unter den deutschen Athlet*innen zu erreichen. Im Vorhinein musste Maximilian ein kompliziertes Prozedere durchlaufen, Bescheinigungen von Ärzt*innen einholen, Dokumente ausfüllen etc. 

Im Prinzip braucht es auf der persönlichen Ebene andere Erklärungswege, dabei v.a. die Bereitschaft, die eigene Sprache auf die Bedürfnisse von Personen anzupassen. So können reibungslose Trainingsabläufe in einem inklusiven Team entstehen.

Der Verein führt ab und an Aktionstage mit Schulen in Halle für Kinder mit Behinderung durch. Sie werden auf die Bahn eingeladen, und lernen den Sport hautnah kennen. Diese Angebote werden immer freudig angenommen, allerdings wird selten der Übergang geschafft, dass die Kids dann am Ball bleiben. Es gibt keine Rahmenbedingungen, um Kinder und Jugendliche nach der Schule zum Training zu begleiten. Hier muss grundlegend etwas passieren, um Inklusion im Sport flächendeckend zu unterstützen.

Man könnte Trainer*innen zu Wettkämpfen oder zum Training einladen, damit sie erleben können, mit welcher Lebensfreude, Sportbegeisterung und auch Kollegialität untereinander die Sportler*innen dabei sind. Dadurch können Hemmschwellen abgebaut werden. Pro Sportgruppe am besten 1-2 Aktive mit Behinderung integrieren. Bei Kindern gestaltet sich das leichter, da die Leistungsunterschiede in Kindergruppen sowieso groß sind. Jugendliche am besten nicht bei leistungsorientierten Sportgruppen, sondern im Freizeitbereich oder Erwachsenensportgruppen integrieren. Beim Training sollten Menschen mit Behinderung keine Sonderbehandlungen erfahren, sondern ihnen die Möglichkeit gegeben werden, das Trainingsprogramm voll mitzumachen, ihm Rahmen ihrer Möglichkeiten. Der Ehrgeiz mitzumachen mit vollem Einsatz kommt meist sehr schnell. Für Trainer*innen ist es wichtig, die Behinderungen seiner Sportler*innen zu kennen, um gezielte Motivationspunkte zu setzen. Ein/e Sportler*in mit Wahrnehmungsstörungen wird nie gleich lossprinten, da es so schnell nicht verarbeitet werden kann. Die Aktiven werden sich nur in vielen kleinen Schritten steigern können.

Durch die World Games 2023 in Berlin ist Sport mit einer geistigen Behinderung in vielen Bereichen öffentlicher geworden, jedoch werden Wettkämpfe immer sehr getrennt durchgeführt. Ein gutes Beispiel für eine gelungene Praxis ist hier Groß-Gerau. Bei den Speed Offs (Inliner-Wettkampf) gibt es extra für Special Olympics Sportler zwei Distanzen, wodurch sie im Wettkampfgeschehen voll integriert sind. In Groß-Gerau ist das schon eine gute Tradition - wir müssen hier noch viel nachholen.

„Es braucht auf der persönlichen Ebene andere Erklärungswege, v.a. die Bereitschaft, die eigene Sprache auf die Bedürfnisse von Personen anzupassen. So können reibungslose Trainingsabläufe in einem inklusiven Team entstehen.“ 

(Ralf Sebastian, Trainer und Vorstandsmitglied Turbine Halle e. V.)

Mehr Informationen zum Verein finden sich HIER.

Rückfragen können gerne an Ralf Sebastian gerichtet werden (0174/9818307, skaterralf(at)gmail.com oder info(at)turbine-skater.de).