Im Gespräch: Gelebte Inklusion in Quedlinburg
Die TSG GutsMuths 1860 Quedlinburg ist ein traditionsreicher Mehrsparten-Verein aus dem Harz. Neben verschiedenen Generationen, Schachspieler*innen oder Leichtathlet*innen trifft man hier auch auf Menschen, die sich für Inklusion in Ihrem Verein einsetzen und Menschen mit Behinderung, die diese Angebote sehr gern nutzen. Dafür ist der Verein bereits mehrfach ausgezeichnet worden, unter anderem mit dem „Großen Stern des Sports in Silber“. Claudia Glende, Mitglied im LSB-Landesausschuss Gleichstellung, Vielfalt und Teilhabe, kam dazu mit dem Vereinsvorsitzenden Frank Müller und seiner Stellvertreterin Kristina Florschütz ins Gespräch.

(© Verein)
Was macht ihr im Bereich Inklusion konkret?
„Wir haben verschiedene Sportarten in denen Menschen inklusiv Sporttreiben können.“, so Kristina Florschütz, stellvertretende Vorsitzende des Vereins. Der Verein hat eine Leichtathletikabteilung mit Leichtathletik-Leistungsstützpunkt bei Special Olympics Sachsen-Anhalt. Beim Behinderten- und Rehabilitations-Sportverband Sachsen-Anhalt (BSSA) ist der Verein in der Sportart Showdown organisiert (acht Mitglieder, einzelne davon in der 1. und 2. Bundesliga aktiv). „Unsere inklusive Basketballmannschaft, in Kooperation mit der Lebenshilfe Quedlinburg, finden Interessierte regelmäßiges Training, feste Trainer und einige nicht beeinträchtigte Mitspieler. Das Team spielt im Bereich Special Olympics und trainiert dienstags von 15:30 bis 16:30 Uhr in unserer Halle in Turnstraße in Quedlinburg.“, ergänzt der Vereinsvorsitzende Frank Müller.
Welche Ziele verfolgt ihr als Verein dabei?
"Ziel ist es u.a. die Aus- und Weiterbildung von Trainern zu unterstützen, um das Angebot fortführen und entwickeln zu können", so Florschütz. Aktuell nehme man an Turnieren teil und freue sich über die Qualifikation für Special Olympics. Die Einstufung war bereits erfolgreich. Insgesamt sind 21 Sportler*innen inklusiv im Verein aktiv und nehmen sowohl in Freizeitmannschaften oder Turnierspielbetrieb teil. Dies sorgt für Motivation, ein gesteigertes Selbstwertgefühl bei den Sporttreibenden und stärkt deren Selbstbewusstsein, dass Ziele erreichbar sind. „Wir möchten Chancen schaffen“, so Frank Müller, und Menschen die Möglichkeit anbieten, Teil eines Teams sein zu können. Seit 2009 ist die Gruppe zur Sportart Showdown aktiv. Menschen mit Sehbehinderung spielen auf Bundesliganiveau. „Wir sehen uns als Unterstützer zur Selbständigkeit“, beschreibt Frank Müller es weiter.
Was braucht es, um das wöchentliche Training durchzuführen?
„Nun, es braucht besondere Aufmerksamkeit für die Notwendigkeiten, wie Anreise und welche Unterstützung zur Ausübung des Sports erforderlich sind. Wir versuchen einen Grad an Normalität herzustellen, denn jede Struktur muss wachsen und wir müssen voneinander lernen“, bringt es Müller auf den Punkt.
Wie viele Menschen sind in den Teams beteiligt?
Insgesamt 21 Sporttreibende, zwei Mitarbeiter der Lebenshilfe oder Stiftung Neinstedt - während der Trainings und jeweils feste Trainer und 2 Allys (nicht-behinderte Unterstützer).
Warum und wie habt ihr mit euren inklusiven Angeboten angefangen? Welche Kontaktstellen oder Unterstützungsangebote habt ihr dabei genutzt?
Die Motivation zum inklusiven Angebot kam von innen heraus durch die Sportler*innen - mit der Gründung von Show Down. In der Leichtathletik ist das Angebot offen gestaltet, so dass jeder Mensch willkommen ist. Zur Gründung der Basketballmannschaft kam es als Folge der Host Town Veranstaltung auf dem Marktplatz in Quedlinburg im Juni 2023. Es kam zur Anfrage, ob man die inklusiven Spieler der Lebenshilfe mit einer regelmäßigen Trainingseinheit unterstützen kann. „Das Netz der Kontaktstellen ist auf unserem Weg vielfältig. Sowohl die Ansprechpersonen beim KSB Harz als auch beim Landessportbund werden regelmäßig genutzt und auch die Personen und Hilfestellungen der einzelnen Dachverbände. Aufzuzählen sind hier der BSSA und Special Olympics Sachsen-Anhalt. Wir wollen Sichtbarkeit schaffen und so das Bewusstsein für Inklusion schaffen“, führte Müller weiter aus.
Was braucht es im Allgemeinen, um Inklusion im Sport erfolgreich umzusetzen? Welche Ressourcen setzt ihr dafür ein?
„Unsere Ressourcen sind die Organisation von Transporten der Teilnehmenden zu den Wettkämpfen. Die Trainer stellen die Spielenden auf die neuen Situationen ein. Der Verein übernimmt Startgebühren und eine Sponsoring-/Crowdfunding-Aktion brachte finanzielle Unterstützung. Außerdem sind die Preisgelder für unsere Auszeichnungen, wie zum Beispiel zu den `Sternen des Sports` eine willkommene Wertschätzung für unsere Vereinsarbeit und motiviert zusätzlich alle Beteiligten“, brachte es Florschütz auf den Punkt.
Was ist der Mehrwert der Inklusionsprojekten für den Verein und auch die Region?
Den Mehrwert für den Verein beschrieben beide Verantwortlichen als „das gegenseitige voneinander Lernen, das Bewusstsein für Inklusion für alle Vereinsmitglieder und die positive Dimension des Themas, welches inspirierend und anregend für die weitere Vereinsentwicklung ist.“
Welche Herausforderungen gab es in der Vergangenheit und wie habt ihr sie gemeistert?
Natürlich gibt es auch Herausforderungen, beschrieben beide Vereinsvorstände. „Es bedarf besonderer Abstimmungen, die u.a. auch den Transport betreffen, oder die Einstellungen der inklusiven Sporttreibenden.“ Es geht einerseits um Beständigkeit und Durchhaltevermögen bei den Sportlern. Andererseits ist es wichtig „zu hohe Ziele zu relativieren und damit in kürzeren Phasen zu bewerten. Es gibt Bedingungen, die das Ziel fokussieren lassen, aber der Weg manchmal auch Umwege nehmen muss.“
Wie können Trainer*innen/Übungsleiter*innen dazu bewegt werden, sich dem Thema anzunehmen?
Im Verein ist klar: „Die Motivation der Trainer*innen oder Übungsleiter*innen muss intrinsisch motiviert sein und ein authentisches Interesse vorliegen. Die kann jederzeit im Sportbüro angezeigt werden und wir unterstützen bei dem Wunsch zur Weiterbildung oder Ausbildung“, macht Florschütz aufmerksam.
Wie macht ihr auf euch und eure inklusiven Angebote aufmerksam?
„Wir machen über unsere Pressearbeit auf unsere Angebote aufmerksam. Es geht dabei eher um zielgruppenspezifische Angebote in Bezug auf Altersklasse oder Fähigkeiten und Interessen. Wir präsentieren unsere Erfolge auf Social Media, binden unser Vereinsleben in der Mitgliederversammlung ein und haben Erfolge bei wichtigen Auszeichnungen, wie den `Sternen des Sports`. Auch nehmen wir Rücksicht auf Zutrittshürden, Beschilderung und bieten alternative Räumlichkeiten an“, macht Frank Müller aufmerksam.
Was sind Voraussetzungen, um sich erfolgreich im Bereich Inklusion aufzustellen?
Grundvoraussetzung ist das ehrliche Interesse am Thema Inklusion und die Verbreitung von der Philosophie, ein inklusiver Sportverein zu sein.
Was wünscht ihr Euch (vom LSB/von der Gesellschaft) bzgl. Eures Engagements?
Durch die Vielfalt an Verbänden fehlt es am Anfang der Befassung mit dem Thema bisher an einer Handreichung, die Klarheiten zu den Strukturen vermittelt. Deshalb wünscht man sich vom LSB Sachsen-Anhalt eine Handreichung zu Ansprechpersonen und Möglichkeiten zur Unterstützung inklusiver Sporttreibender. Unser Verein hofft, dass sein Engagement für Inklusion und Teilhabe aller am Sport Nachahmer findet und dass Ängste abgebaut werden, dass das Thema Inklusion ausschließlich mit Hürden verbunden sei.
Danke für eure Zeit und eure Auskünfte! Und ein großes Dankeschön für euer Engagement und euren Einsatz für den Sport!
Für Interessierte steht der Verein über sein Sportbüro zur Verfügung.
TSG GutsMuths 1860 Quedlinburg
Tel.: 03946 – 528730
Mail: sportbuero(at)tsg-gutsmuths.com