Sportlich unterwegs im Ehrenamt
Am 5. Dezember werden weltweit ehrenamtliche Tätigkeiten besonders hervorgehoben. Aus diesem Anlass haben wir den Treffpunkt Salam e.V. in Wittenberg besucht. Dieser wird durch das Projekt „Mittendrin in Sport und Gesellschaft“ des Landessportbund (LSB) Sachsen-Anhalt gefördert. Die Ehrenamtliche Wasila spricht über ihr Engagement vor Ort und zeigt, wie und warum sie neue Sportangebote für migrantische Frauen initiiert.

(© Integration durch Sport)
Ein Treffpunkt zum Ankommen und Lernen
Ich komme am Treffpunkt an: der Moschee in Wittenberg. Eine Gruppe von Männern schippt Schnee auf dem Gehweg. Wasila, mit der ich verabredet bin, erwartet mich bereits an der Tür. Sie empfängt mich herzlich und bittet mich die Schuhe ausziehen, bevor ich eintrete. Überall sind weiche Teppiche ausgelegt. Wir gehen in einen hellen Raum. Wasila bietet mir Tee und süße Datteln an, während wir uns unterhalten.
In der Regel bin ich bei Sportvereinen zu Besuch, diesmal jedoch beim Treffpunkt Salam e.V. in Wittenberg. Seit 2015 engagiert sich der Verein für neu Zugezogene in Deutschland und bietet ihnen einen Platz zum Ankommen, einen kulturellen Treffpunkt und Startpunkt in der Stadt. Es gibt Nachhilfeangebote für Schulkinder, Unterstützung bei Übersetzungen, Deutsch- und Arabischkurse für diejenigen, die Lesen und Schreiben lernen wollen. Die Männer treffen sich hier zum Gebet. Feste, wie das islamische Zuckerfest Eid al-Fitr, werden gemeinsam gefeiert. Leute, die neu in Wittenberg sind, erfahren durch Mundpropaganda von dem Verein. Einige Personen kommen sogar von außerhalb der Stadt hierher. Doch die Anreise mit dem ÖPNV macht es meist zu zeit- und kostenintensiv. Ursprünglich kommen sie beispielsweise aus Afghanistan, der Türkei und Syrien. Salam ist ein kleiner Treffpunkt, und bietet ihnen einen Raum für Austausch und Lernmöglichkeiten. Dass sie aus verschiedenen Ländern stammen, bereitet ihnen keine sprachlichen Probleme: es gibt immer ein paar Leute, die mehrere Sprachen sprechen und übersetzen.
Der kulturelle Treffpunkt wird ein sportlicher Treffpunkt
Eine, die mit Übersetzungen aushilft, ist Wasila. Wie alle bei Salam hilft sie ehrenamtlich im Verein. Nachdem sie früher Nachhilfe gegeben hat, organisiert sie nun Sportangebote für Frauen. Während die Männer bereits Fußballtreffs hatten, gab es lange für die Frauen keine Sportangebote. Wasila arbeitet mit Feuereifer daran, dies zu ändern. Bereits in der Türkei hat sie Yoga und Fitnesssport gemacht und großen Gefallen daran gefunden. Es tat ihr für Körper und Geist gut. Das gleiche möchte sie den Frauen in Wittenberg bieten. Inzwischen finden Zumba und Yoga-Kurse statt, die Wasila mit Hilfe des Landessportbundes (LSB) organisiert.
Obwohl sie noch nicht allzu lange in Deutschland und Wittenberg ist, plant und koordiniert Wasila bereits die verschiedenen Sportangebote für den Verein. Sie ist organisiert und auch für unser Interview gut vorbereitet. Obwohl sie all dies im Ehren- und nicht Hauptamt macht, hält sie in ihrem Engagement 100%. „Ich finde mich in dieser Arbeit“, sagt sie.
Ein Tag im Jahr für das Ehrenamt
Damit ist Wasila nicht allein: mehr als acht Millionen Menschen sind laut dem DOSB in Deutschland ehrenamtlich im Sport aktiv. Damit ist das freiwillige Engagement im Bereich Sport und Bewegung das häufigste unter allen ehrenamtlichen Tätigkeiten in Deutschland (vgl. Freiwilligensurvey 2019). Ob als Trainer*innen, Platzwarte, Schiedsrichter*innen oder in den Vereinsvorständen, die Sportlandschaft und Sportvereine sind auf solch freiwilliges Engagement angewiesen. Laut dem Freiwilligensurvey 2019 sind rund 40 Prozent der Befragten ehrenamtlich engagiert. Von diesen engagieren sich wiederum acht Prozent für Geflüchtete durch Deutschunterricht, Hilfe bei Behördengängen oder auch bei Freizeittätigkeiten wie Sport. Für einige ist dieses Engagement jedoch eine kurzfristige Form der Krisenbewältigung und kein Einsatz für eine tiefere Integration der ankommenden Menschen.
Um ehrenamtliche, gemeinnützige Arbeit zu würdigen, aufzuwerten und sichtbarer zu machen, wird seit 1986 jährlich am 5. Dezember weltweit der von den Vereinten Nationen eingeführte „Tag des Ehrenamts“ gefeiert. In Deutschland werden an diesem Tag Personen durch den Bundespräsidenten für ihr „außerordentliches bürgerschaftliches Engagement“ ausgezeichnet. Gerade weil viele Menschen ehrenamtlich engagiert sind, ist der Aktionstag auch ein Anlass für wichtige Diskussionen zum Thema: über Zeitmangel, die Auslagerung von Verantwortlichkeiten auf Ehrenamtliche, und darüber, wie das Ehrenamt besser gefördert werden kann.
Auch die rund 25 engagierten Männer und Frauen bei Salam sind Ehrenamtliche, ob für Nachhilfestunden oder in Wasilas Fall für die Koordination der Sportangebote. „Das freiwillige Arbeiten ist für mich ein Grundwert, und ich finde mein Glück darin, wenn ich anderen helfe, wenn ich sehe, wie meine Bemühungen ein Lächeln auf das Gesicht einer Frau oder eines Kinds zaubern“, sagt sie selbst. Ihr Einsatz zeigt, wie wichtig ehrenamtliches Engagement für ein lebendiges Miteinander ist. Die Sportangebote sind ihre Idee, ihr Beitrag für die Gemeinschaft. Ihre sprudelnde Motivation bedeutet jedoch nicht, dass Wasila sich nicht manchmal mehr Unterstützung wünscht: „Die Arbeit ist spannend, aber auch schwer. Es braucht von mir Zeit und Energie“. Beispielsweise haben sie im Treffpunkt nicht genügend Tische oder Bänke zum Schreiben in der Nachhilfe. Und die Kommunikation mit den vielen verschiedenen Frauen bei den Sportangeboten ist manchmal schwierig.
Von Unterstützung im Sport & Zukunftspläne
Wasila und der Salam Treffpunkt stehen nicht allein vor diesen Herausforderungen. Seit diesem Jahr werden ihre Sportgruppen durch das Landesprojekt „Mittendrin in Sport und Gesellschaft“ des LSB Sachsen-Anhalt unterstützt. Dieses ergänzt das Programm „Integration durch Sport“, welches vor allem Sportvereine bei integrativen Maßnahmen fördert, indem es über den Tellerrand des organisierten Sports hinausblickt. Sportangebote von Migrantenorganisationen, wie die Zumba und Yoga-Kurse bei Salam, können dadurch gefördert werden. Der Sport wird damit als Brücke für Teilhabe und Begegnung gestärkt, und Sportvereine können sich mit diesen Gruppen vernetzen. Insbesondere für Frauen und Mädchen gibt es da noch einen großen Bedarf.
Wasilas Tochter erfüllt ihren Bedarf an Bewegung selbst: während unseres Gesprächs flitzt sie durch die Räume des Treffpunkts und turnt auf dem Teppichboden herum. Wasila liebt ihre Tätigkeit, doch sie möchte mehr: was sie aktuell ehrenamtlich macht, soll hauptamtlich werden. Am liebsten würde sie als Trainerin oder Sportkoordinatorin arbeiten. Sie fragt nach den nächsten Schritten für eine Übungsleiter*innen Ausbildung, und berichtet: „Unsere Frauen lieben das Sportmachen mit einer Frau als Trainerin. Und ich glaube viele andere Frauen auch.“ Sie wünscht sich, in Wittenberg einen Ort mit ausreichend Platz zu finden, wo sie Sport für die gesamte Community anbieten können: „Die Idee war, wir machen Fitnesssport für alle. Zum Beispiel morgens für Frauen, nachmittags für Kinder und mittags für Männer.“ Bis dahin ist es noch ein weiter Weg, der viel Engagement benötigt. Doch auch aus vielen kleinen Schritten können Projekte entstehen, die dauerhaft wirken und die Sportlandschaft spürbar bereichern.
Die Förderung des Projekts „Mittendrin in Sport und Gesellschaft“ erfolgt im Rahmen der Integrationsförderrichtlinie durch das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt.
Weitere Informationen zum Thema:
Internationaler Tag des Ehrenamts
Ehrenamt im Sport